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Der Peitscheneffekt und wie Sie mit ihm umgehen

Der Peitscheneffekt und wie Sie mit ihm umgehen

Der Peitscheneffekt ist ein mit der Lieferkette zusammenhängendes Phänomen, das mit plötzlichen Veränderungen bei Nachfragesignalen zusammenhängt, wenn kleine Bewegungen bei der Nachfrage große Schwankungen in der gesamten Lieferkette auslösen können. Um einen heftigen „Peitschenhieb“ am Ende zu vermeiden, müssen Unternehmen darauf vorbereitet sein, diesen Effekt zu minimieren.

Störungen sind schon immer Teil der Herausforderungen innerhalb des Lieferkettenmanagements. Wenn sie auftreten, müssen Manager so reagieren, dass sie weder zu viel noch zu wenig Bestand vorrätig haben. Diese Störungen lassen sich in normalen Zeiten durch die Anpassung von Prognosen, Beschaffungsvereinbarungen und Logistikentscheidungen verwalten. Die aktuellen Störungswellen haben jedoch einen wahren Tsunami an Störkräften freigesetzt.

Handelskriege, Tarife, Naturkatastrophen, Kanalblockaden und andere Störungen großen Ausmaßes innerhalb der letzten Jahre gab es bereits, als die Corona-Pandemie 2020 den Begriff „Störungen“ auf ein komplett anderes Niveau hob. Während sich die Weltwirtschaft langsam von dem der Pandemie folgenden Chaos erholt, sind mittlerweile andere Störkräfte wie verstopfte Häfen, Arbeitskräftemängel, Versandprobleme und seltsame Nachfragemuster am Aufkeimen.

Während Lieferkettenmanager damit zu kämpfen haben, hierauf zu reagieren, nehmen neue Muster Form an, die im Lieferkettenmanagement berücksichtigt werden müssen. Ein traditionelles Problem verbleibt jedoch und hat sich aufgrund dieser Kräfte zu einer sogar noch größeren Gefahr entwickelt. Dieses Problem ist als der Peitscheneffekt bekannt.

Was ist der Peitscheneffekt?

Der Peitscheneffekt ist ein Begriff, mit dem ein Phänomen bezüglich Nachfragesignalen beschrieben wird.

Wir als Menschen haben oft das Gefühl, dass kleine Schwankungen und Abweichungen von der Norm sich irgendwann ausgleichen und demnach egal sind. Der Peitscheneffekt veranschaulicht jedoch, dass bei einer eng verbundenen Kette an unabhängigen Ereignissen genau das Gegenteil zutrifft. Anstatt sich gegenseitig auszugleichen, addieren sich diese kleinen Schwankungen auf und werden verstärkt, was später zu weiteren Abweichungen führt und am Ende die Dinge komplett aus der Bahn werfen kann.

Die Analogie mit der Peitsche stellt dar, dass eine kleine Bewegung des Handgelenks sich in großen Bewegungen äußert, die am Ende sogar die Schallgeschwindigkeit überschreiten und einen vernichtenden „Knall“ erzeugen.

Die Nachfrage wird vom Verkaufs- oder Anwendungsplatz von den Kunden gemessen. Sollte diese Nachfrage plötzlich höher oder niedriger sein als gewöhnlich, kommt Panik auf, wenn das Nachfrageprognose- und Planungssystem eines Unternehmens nicht ausgestattet ist, mit diesen Schwankungen umzugehen. Und in dieser Panik, wenn die Nachfrage auf einmal nach oben oder unten ausschlägt, kann eine Kettenreaktion auftreten.

Wenn diese Kettenreaktion entsteht, wird der nächste Teilnehmer in der Lieferkette wegen dieser Nachfrageänderung mit einer disproportionalen Marge entweder über- oder unterkompensieren. Auf diese Reaktion folgt eine ähnlich disproportionale Reaktion vom wiederum nächsten Teilnehmer oder Lieferanten in der Kette.

Diese Serie an Überreaktionen setzt sich rückwärts in der Lieferkette fort, bis dieses Nachfragesignal extrem realitätsfern verstärkt wurde.  Studien haben gezeigt, dass selbst keine Fluktuationen von +/- 5% sich in der Lieferkette zurückbewegen können und eine kumulative Änderung von bis zu +/-40% entstehen kann.

Der Peitscheneffekt wirkt sich oft in beide Richtungen aus. Sollte also eine Über- oder Unterschätzung auftreten, fangen Lieferkettenteilnehmer an, in die entgegengesetzte Richtung zu kompensieren. In diesen Fällen könnte die Lieferkette eines Unternehmens bei einigen oder all seinen erforderlichen Materialien oder Bauteilen zusammenbrechen.

Wie wird der Peitscheneffekt ausgelöst?

Der Peitscheneffekt beginnt als normale Steigerung von Nachfragesignalen. Er ist die Reaktion der Menschen innerhalb der Lieferkette auf diverse Lieferantenstrukturen und die Tendenz dieser Teilnehmer, sich Sicherheitsbestand anzusehen oder eine Schätzung für ein niedrigeres Bestandsniveau abzugeben, das diese Reaktion auslöst.

Zu den Ursachen für den Peitscheneffekt zählen:

  • Aktualisierung der Nachfrageprognosen – Wenn Mitglieder der Lieferkette anfangen, ihre Prognosen zu aktualisieren, um eine stärkerer Schwankung nach oben oder unten zu kompensieren, nutzen sie Daten vom vorherigen Teilnehmer der Lieferkette. Diese Aktualisierungen können mehrmals von verschiedenen Lieferkettenmitgliedern vorgenommen werden. Bei längeren Ketten wirkt sich die Fehlkalkulation umso größer aus. Die neuen Lieferantenproduktionsziele reflektieren das ursprüngliche Nachfragesignal am Ende des Prozesses nicht mehr.
  • Gruppierung von Bestellungen – Wie Prognoseaktualisierungen können auch Gruppierungen von Bestellungen zu spontanen menschlichen Entscheidungen führen. Es könnten dadurch zum Beispiel Liefer- und Logistikprobleme wie volle LKWs, Rüstungszeiten oder Bestandshandlingverfahren gelöst werden wollen. Je mehr Mitglieder ihre Liefermengen auf- oder abrunden, desto mehr wird das Nachfragesignal verzerrt.
  • Schwankende Preise – Schwankungen aufgrund von Inflation oder saisonaler Lagerauf- oder -abbau können den Peitscheneffekt beeinflussen. Einzelhändler erhöhen ihre Bestellmengen während der Weihnachtszeit basierend auf ihrer internen Absatzforschung oft erheblich. Oder sie führen Rabattaktionen durch, um bestimmten Bestand zu verringern oder um Platz für neue Ware zu machen. All das kann zu einer Nachfragespitze führen und rückwärts gerichtet den Peitscheneffekt auslösen. Es wird sogar noch herausfordernder für die Lieferanten, zu verstehen, wenn die Bestellmengen stark abweichen. Das Ergebnis sind weitere Anpassungen an die Prognosen, wodurch sie noch ungenauer werden.
  • Rationierungen und Spekulation – In schwierigen Beschaffungszeiten liefern viele Lieferanten kleinere Prozentsätze ihrer Bestellungen aus als eigentlich vom Kunden bestellt. Dieser Liefermodus kann gewählt werden, weil die Kapazität belastet ist und der Lieferant mehr Kunden bedienen will als dies mit seiner aktuellen Produktion möglich ist. Er könnte auch versuchen, Bestellmengen zu reduzieren, bis seine eigenen Lieferanten mehr Teile und Materialien liefern können. Wenn diese Rationierung auftritt, könnten die Kunden dieses Lieferanten versuchen, das System durch Spekulationen auszutricksen, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Sie tun dies, indem sie ihre Gesamtbestellung erhöhen, damit der gelieferte Prozentsatz ihre Verkäufe decken kann. Mit der Zeit könnten sie ihre Bestellmenge wieder senken, sobald sie genügend Bestand haben, der ihre tatsächliche Nachfrage deckt.e>
  • Technologische Fähigkeiten – Das Lieferkettenmanagement wurde traditionell mit Handschlägen, direkter Kommunikation oder Telefonanrufen, Faxen und per E-Mail durchgeführt. Es waren außerdem viele Tabellen und noch mehr menschliche Spekulationen mit im Spiel. Jedes Mitglied der Lieferkette könnte zudem einen anderen technologischen Fähigkeitsgrad haben. Wenn das der Fall ist, könnte ein Mitglied fortschrittliche Software nutzen, während sein Lieferant auf Tabellen zurückgreift und dessen Lieferant wiederum ein veraltetes firmeneigenes MRP. Dies löst Kommunikationsprobleme aus und hat zur Folge, dass die Daten des Lieferanten entweder fehlerhaft oder zeitlich verzögert sind.

Der Umgang mit dem Peitscheneffekt

Das effektivste Werkzeug, um dem Peitscheneffekt entgegenzuwirken, sind Softwares. Die meisten MRP- und ERP-Systeme haben native Funktionen, die Automatisierung und Barcoding in eng verwalteten Bestandssystemen ermöglichen, sowie Funktionen für die Verwaltung und Automatisierung von Beschaffungsprozessen. Sie kann mit nahezu Echtzeit-Daten Prognosen aufstellen, um präzise tatsächliche Nachfragesignale vorherzusehen und durchführbare Produktionspläne aufzustellen.

Die extremen Störungen und ihre Auswirkungen, denen sich Manager von Lieferketten gegenübergestellt sehen, bedeuten, dass jedes Unternehmen, das sich auf Tabellen und menschliche Intuition verlässt, mit höherer Wahrscheinlichkeit den Peitscheneffekt auslöst. Mit einer robusten ERP, MRP oder Lieferkettenmanagement-Software kann mit dem Peitscheneffekt effektiv umgegangen werden durch:

  • Verbesserte Kommunikation– Die Verbindung von Lieferanten über die Lieferkette hinweg gibt allen Mitgliedern Ende-zu-Ende Sichtbarkeit der tatsächlichen auf Verkäufen basierten Nachfrage. Diese Daten werden in der Einrichtung eines jeden Lieferanten analysiert und auf die Produktion angewendet, wo sie weiterhin an Stücklisten und Qualitätsdaten gebunden werden können. Die Automatisierung mit Softwares holt Daten aus Silos und macht sie allen Mitgliedern verfügbar, wodurch die Zusammenarbeit und das Vertrauen erhöht werden können.
  • Geschärfte strategische Planung –Während eine stabile Nachfrage es einigen Unternehmen möglich macht, mit Push-Bestand zu arbeiten, könnte eine fluktuierende Nachfrage ein Pull-System erfordern. Es ist entscheidend, dass eine Software Funktionen enthält, mit denen ein optimierter Bestand möglich ist, der an präzise, verfügbare, zugeteilte Bestandseinheiten innerhalb der Produktion gebunden ist. So können Unternehmen weiter mit Barcodes und Scannern optimieren, um unfertige Erzeugnisse und Pipeline-Bestand zu automatisieren.
  • Keine Gruppierung von Bestellungen mehr – Die meisten modernen MRP Softwares können mehrere Variablen und Inputs heranziehen und präzise Prognosen und Produktionspläne erstellen. Diese Software könnte es jedoch erfordern, dass menschliche intuitive Entscheidungen entfernt werden, damit automatisierte Beschaffungen zu Niveaus, die die tatsächliche Nachfrage widerspiegeln, möglich sind. Wenn ein Planer beispielsweise auf- oder abrundet, um 250$ bei einer LKW-Fuhre mit eingehendem Bestand zu sparen, diese Entscheidung jedoch einen Peitscheneffekt auslöst, der mit der Zeit zu 2500$ an nicht benötigtem Bestand führt, sind die Einsparungen negativ. Die Software kann diesen Prozess verbinden und automatisieren und dann ganzheitliche Berichte für präzise eingehende Mengen bereitstellen, die die Nachfrage und nicht Bequemlichkeit widerspiegeln.
  • Keine Rationierungen und Spekulationen mehr – MRP- und ERP Software speichern historische Daten und kombinieren sie mit nahezu Echtzeit-Produktionsdaten, um der Nachfrage ein dynamisches und fortlaufend aktualisiertes Bild zu geben. Das System lässt außerdem ein fortlaufendes Bestandsmanagement zu. Demnach wissen Unternehmen stets um ihre Umsatzkosten Bescheid und können sich auf die automatisierten Anpassungen verlassen, sodass sie nicht überreagieren und einen Peitscheneffekt auslösen.

Der Peitscheneffekt kann ein verheerendes Problem für Hersteller sein. Er stiftet Verwirrung und erzeugt Mängel oder Überbestand in den Lagerhallen; er beeinflusst den Produktionsoutput und kann zum Verlust von Geld oder Cashflow-Einschränkungen führen, indem er Betriebskapital in Form von Bestand bindet. Die ERP- und MRP-Systeme von heute enthalten jedoch robuste Funktionen, die dabei helfen, die Beschaffung zu automatisieren, den Bestand zu optimieren und die Nachfrage über Produktionsprozesse und Stücklisten zu verbinden und zu analysieren.

Die wichtigsten Schlüsselpunkte

  • Der Peitscheneffekt ist ein Lieferkettenphänomen, das auftritt, wenn eine leichte Bewegung in der Nachfrage große Schwankungen in der gesamten Lieferkette auslöst.
  • Wenn die Nachfrage plötzlich fluktuiert und das Prognose- und Planungssystem eines Unternehmens nicht ausgestattet ist, damit umzugehen, könnte eine Panik entstehen, die eine Lieferkettenreaktion auslöst, durch die jeder folgende Lieferkettenteilnehmer die Änderungen disproportional über- oder unterkompensiert, wodurch die Fluktuationen weit über die Realität hinaus verstärkt werden.
  • Der Peitscheneffekt kann in beide Richtungen auftreten und schlimmstenfalls mit dem Zusammenbruch einer Lieferkette enden.
  • Faktoren, die einen Peitscheneffekt auslösen können, sind unter anderem: Anpassungen der Nachfrageprognose, Gruppierung von Bestellungen, Preisschwankungen, Rationierung und Spekulation und ungleiche technologische Fähigkeiten der Lieferkettenteilnehmer.
  • Der Peitscheneffekt lässt sich abmildern mit besseren Kommunikationspraktiken, effektiverer strategischer Planung sowie dem Ausmerzen von gruppierten Bestellungen, Rationierungen und Spekulation.
  • Ein gutes Werkzeug für den Umgang mit dem Peitscheneffekt ist ein ERP/MRP-System, das ihn abmildert, indem es bessere Kommunikation bietet, die Effektivität der strategischen Planung erhöht, Gruppierungen von Bestellungen beendet und Rationierungen und Spekulationen eliminiert.
Karl H Lauri
Karl H Lauri

Seit mehr als 4 Jahren arbeitet Karl bei MRPeasy mit dem Hauptziel, kleine Hersteller und Händler mit nützlichen Informationen zu versorgen. Er arbeitet gerne mit anderen Branchenspezialisten zusammen, um seine Artikel mit realen Einblicken zu ergänzen, wobei er sich besonders darauf konzentriert, das Feedback von Herstellern zu nutzen, die gerade MRP-Software implementieren. Karl hat auch mit angesehenen Publikationen im Fertigungsbereich zusammengearbeitet, darunter IndustryWeek und FoodLogistics.

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